Sonntag, 27. September 2015

Laizität oder 'Burkaverbot'

FOCUS online vom 24.9.2015 berichtet:

Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner hat „ein Verbot der Vollverschleierung im öffentlichen Raum“ gefordert. „Niqab und Burka sind ein Symbol für Unfreiheit und Ungleichheit“, schreibt Klöckner in einem Gastbeitrag für das Magazin "Cicero".

„Selbst das Grundrecht zur freien Ausübung der Religion darf das Grundrecht von Frauen auf Gleichberechtigung nicht aushebeln“, so die CDU-Politikerin, die auch Landes- und Fraktionsvorsitzende in Rheinland-Pfalz ist.

„Wer es ernst meint mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau, der darf Vollverschleierung hierzulande nicht dulden“, der dürfte das Verhüllen und Verstecken von Frauen nicht akzeptieren oder als Ausdruck kultureller Vielfalt oder religiöser Selbstbestimmung legitimieren.

Für Klöckner sind der Ganzkörper- und der Gesichtsschleier „ein Ausdruck der bewussten Abgrenzung, der Ablehnung westlicher Werte und der Ablehnung des Menschenbilds, das unserem Grundgesetz zugrunde liegt“. Die Ganzkörperverhüllung sei zudem „kommunikations- und integrationshemmend“.

Auch die Gesellschaft, in der sich Vollverschleierte bewegen, habe deshalb an einem Verbot ein Interesse. „Die Menschen in diesem Land sollen sich auf Augenhöhe begegnen. Dies setzt ein offenes Visier voraus. In einer demokratischen Gesellschaft zeigt jeder jedem sein Gesicht.“


Alle Argumente für ein Burka/Niqab-Verbot rekurrieren im Kern darauf, dass bestimmte "Werte" im öffentlichen Raum nicht "ostentativ" infrage gestellt werden dürften (worauf im Falle neofaschistischer Provokationen im öffentlichen Raum - nehmen wir als Beispiel die der Grauen Wölfe - freilich gerade in den deutschen Regierungsparteien kein besonderer Wert gelegt wird). Selbstverständlich ist das Tragen der Burka Ausdruck eines zutiefst vor- oder antimodernen Menschenbildes, dem politisch entschieden entgegenzutreten wäre. Aber das angestrebte (Selbst-)Verschleierungsverbot und die damit verbundene Kriminalisierung der Selbstverschleierung erscheint mir aus rechtsstaatlicher Sicht als ein Unding, und zwar sowohl im Hinblick auf die tatsächlich kriminelle Zwangsverschleierung als auch im Hinblick auf eine freiwiliige Verschleierung. Vernünftigerweise kann der Vorstoß, sich verschleiernde Frauen zu bestrafen, nur auf letzteres zielen, denn die Bestrafung einer Person, die Opfer einer Zwangsverschleierung ist, wäre offenkundig eine radikale Verhöhnung jedweder Rechtsstaatlichkeit. Im Fall einer Freiwilligkeit stellt sich aber die Frage, ob oder inwieweit überhaupt ein Rechtsgut verletzt wird, von dem Bedürfnis der öffentlichen Gewalt, Rechtsunterworfenen bestimmte "Werte" zu oktroyieren, einmal abgesehen.

Durch das 'Burka-Verbot' wurde bereits vor knapp einem halben Jahrzehnt in Frankreich der institutionellen Laizität, der Republikanität im Sinne der Herrschaft des Gesetzes und der Verpflichtung des Bürgers auf (gesetzliche) Normen, nicht auf (übergesetzliche) Werte, zugrunde liegt, ein ernster Schlag zugefügt.

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