Freitag, 24. November 2017
In memoriam Rainer Dumont du Voitel (* 3. November 1943; † 24. November 2016)
Vor einem Jahr, am 24. November 2016, verstarb mein EUROjournal-Kollege Rainer Dumont du Voitel. Die Todesnachricht traf mich überraschend. Noch wenige Wochen zuvor hatte ich gemeinsam mit ihm an einer Redaktionskonferenz der FEK in Františkovy Lázně teilgenommen und ihn dort als - wie ich ihn stets kannte - streitbaren und zugleich vermittelnden, auf die Herausarbeitung solider programmatischer Positionen bei der Gestaltung der (geplanten) Publikationstätigkeit für das Jahr 2017 orientierten Kollegen erlebt.
Als einer, dem (als einem der jüngsten Mitglieder des Editorial Council) das Glück zuteil wurde, mit Rainer - wie auch noch mit seinem Vater Rudolf (29. April 1916; † 2. August 2011) - in einem Zeitraum von rund einem Jahrzehnt gemeinsam für die FEK zu publizieren und die redaktionelle Arbeit mitzugestalten, lernte ich zwei Europäer nicht im Sinne "europäischer" Hurrapatrioten oder unkritischer Verherrlicher bestehender "europäischer" Institutionen und politischer Praktiken im Namen "Europas", sondern im Sinne unermüdlicher Verfechter des demokratisch-republikanischen Erbes eines Europa der Freiheit, der Gleichheit und der Brüderlichkeit kennen.
Rainer trat - auch und gerade in den letzten Jahren seines Wirkens für das EUROjournal - für die konsequente Geltendmachung demokratischer Normen ein, die seiner Auffassung nach auch dann nicht angetastet werden dürften, wenn dies (vermeintlich oder wirklich) in einem gemeinsamen "europäischen" Interesse liegen würde. Er ging also nicht davon aus, dass es einen "Kern" "besserer Europäer" gebe oder geben könne, die befugt wären, unter Außerachtlassung gemeinsam ausgehandelter Verfahrensweisen Anderen ihren Willen aufzuzwingen. In diesem Zusammenhang ließ Rainer niemals einen Zweifel daran, wie sehr ihm das Messen mit zweierlei Maß z. B. bei der Bewertung von Verstößen gegen demokratische Standards in östlichen EU-Mitgliedstaaten wie Polen oder Ungarn einerseits und bestimmten Praktiken im westeuropäischen "Kern" der EU andererseits zuwider war.
Aber nicht nur hinsichtlich der Beziehungen zwischen den EU-Mitgliedstaaten trat Rainer für gegenseitigen Respekt auf der Grundlage der Anerkennung der souveränen Gleichheit der Nationen ein. Er sprach sich auch in sehr dezidierter Weise für freundschaftliche Beziehungen zu Nationen wie Serbien und Russland aus. Die Dämonisierung der Russischen Föderation - und die auf ihr beruhende Politik der Konfrontation und der "Sanktionen" - lehnte er prinzipiell als für das Projekt eines Europa der republikanischen Freiheit gefährlich ab. Einer seiner letzten Vorschläge, die er redaktionell einbrachte, war es, die Frage zu thematisieren, ob die NATO noch zeitgemäß sei.
Meine Freundschaft mit Rainer betrachte ich weiterhin als Verpflichtung, den Kampf für die republikanische, die "blauweißrote" Demokratie nicht nur in Europa, sondern auch über Europa hinaus niemals ad acta zu legen.
Eingestellt von
Daniel L. Schikora
um
16:57
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Montag, 22. Mai 2017
„Der Heiland“ und die gespaltene Nation
In Reaktion auf das
Ergebnis der französischen Präsidentschaftswahl titelte DIE ZEIT
vom 11.5.2017 ironisierend: „Der Heiland“: „Emmanuel Macron
gilt nun als Retter Europas. Doch in Frankreich ist er vielen
Menschen verhasst, nicht nur unter den Rechten.“ Tatsächlich
hatten das Procedere der beiden Runden der Präsidentschaftswahl
ebenso wie die unmittelbaren Reaktionen auf den Wahlsieg Macrons über
Marine Le Pen in der zweiten Runde erneut dokumentiert, in welchem
Ausmaß die französische Gesellschaft sich tatsächlich als
politisch-kulturell gespalten zeigt
– ungeachtet des Anspruchs von Macrons Bewegung En Marche
(wie im übrigen auch des Front National seiner
Kontrahentin Le Pen), „weder rechts
noch links“
zu sein und daher fähig, die
(historisch gewachsenen) Partikularismen der Rechten wie der Linken
zu transzendieren.
Erste Runde der
Wahl als Seismograph politisch-kultureller Kräfteverhältnisse
Die
Struktur der ersten Runden französischer Präsidentschaftswahlen –
in der
sich stets Repräsentanten aller 'politischen Familien' des Landes
zur Wahl stellen, wobei regelmäßig auch die Galionsfiguren ziemlich
kleiner Formationen in den Ring steigen, um für ihre Konzepte zu
werben – ist durchaus dazu geeignet, in
Bezug auf (identitäts-)politisch entscheidende Bruchlinien – so
nicht zuletzt im europapolitischen Bereich –
Konfliktkonstellationen zu erfassen, die weder durch die letztliche
Wahl eines bestimmten Kandidaten in der zweiten Runde, noch in den
Ergebnissen der durch eine bestimmte Variante des Mehrheitswahlrechts
bestimmten Parlamentswahlen in adäquater Weise „abgebildet“
werden (können). In concreto: Aus
dem Ergebnis der ersten Runde der Präsidentschaftswahl von 2017, zu
der 11 Kandidaten antraten, geht recht eindeutig hervor, dass nahezu
50 % der Wähler diejenigen
Kandidaten, die sich zur EU-„Verfassung“ in ihrer gegenwärtigen
Form prinzipiell ablehnend positionierten, für
das Amt des Staatsoberhaupts präferieren
(für diese Positionierung standen Le Pen und der Linkssozialdemokrat
Mélenchon ebenso wie der klassische Gaullist Dupont-Aignan und der
Souveränist Asselineau – wohingegen sich neben Macron „nur“
der PS-Kandidat Hamon, der „Republikaner“ Fillon und der Zentrist
Lassalle „proeuropäisch“ verorten ließen). Ein solches Votum
geht in seiner 'offiziellen' (staats-)politischen Dimension über
eine (demoskopisch kontinuierlich feststellbare) Unzufriedenheit mit
bestimmten Erscheinungen der EU resp. bestimmten
regierungspolitischen Entscheidungen, die „Europa“ betreffen,
substantiell hinaus.*
Unter
dem Aspekt der – in der Phase des Wahlkampfs vielfach debattierten
und in den Kontext der Legitimität oder Illegitimität der
„europäischen Institutionen“ gestellten – Frage der
Russlandpolitik Frankreichs und der EU zeigt das Ergebnis der ersten
Runde sehr viel klarer als das der zweiten (in der die „prorussische“
Kandidatin ja unterlag), dass die Regierungspolitik, für die
Staatspräsident Hollande stand, und die Macron verteidigte und
verteidigt, kaum für sich in Anspruch nehmen kann, einen Konsens
einer breiten Mehrheit zu repräsentieren. Das genaue Gegenteil ist
der Fall: Während Macron und Hamon sich – in der Linie Hollandes –
für eine (prinzipielle) Fortführung der Konfrontationspolitik
gegenüber Moskau aussprachen, mahnten nicht nur Le Pen, Mélenchon,
Dupont-Aignan, Asselineau, sondern auch Fillon eine
(Wieder-)Annäherung an die Russische Föderation an, die nicht
zuletzt in „gaullistischer“ Perspektive im Zweifel als
strategischer Partner, nicht jedoch als Feind betrachtet wird. Die
Kandidaten, die
sich von den Richtungsentscheidungen der Russland- (und, damit
verbunden, auch der Ukraine- und der Syrien-)Politik der Regierung
dezidiert abgrenzten,
konnten insgesamt in der ersten Runde zwei Drittel der Wähler
überzeugen.
*
Bemerkenswerterweise konvergiert die hier dokumentierte
„europa“politische Bruchlinie weitgehend mit einer gewissen
Polarisierung in religionsverfassungsrechtlichen Fragen: Während die
„proeuropäischen“ Kandidaten Fillon und v. a. Macron sich in
recht dezidierter Weise zugunsten einer (weiteren) Öffnung des
französischen Religionsverfassungsrechts im Interesse der
Etablierung repräsentativer Institutionen eines Islam à
la française
aussprachen,
traten die
„europa“kritischen Kandidaten Mélenchon
(ein streitbarer Laizist, der auch für eine Aufhebung der
Restbestände „konkordatären“ Rechts etwa im Elsass und im
Mosel-Departement eintritt), Dupont-Aignan und Le Pen (ungeachtet
dessen, dass der Front
National nach
wie vor auch in einem rechtskatholischen Milieu verankert ist) als
Verfechter einer strikten institutionellen Laizität auf.
Eingestellt von
Daniel L. Schikora
um
22:33
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Sonntag, 16. April 2017
Zum 90. Geburtstag von Papst emeritus Benedikt XVI.
Es ist ein Verdienst von Papst emeritus Benedikt XVI., nicht zuletzt in seiner Regensburger Rede die Hellenisierung des Christentums und, damit verbunden, das Vernunftpotential der Katholizität verteidigt zu haben, und zwar gegen jene politisch-theologischen Tendenzen einer Apotheose der Unvernunft, der äußersten Barbarei, wie sie von "Gotteskriegern" wie Bush jun. und Obama bin Ladin, Breivik und den Schlächtern von Daesh repräsentiert wurden und werden.
Am heutigen Ostersonntag, den orthodoxe und katholische Christen trotz unterschiedlicher Kalender in diesem Jahr gleichzeitig feiern, wird Benedikt, der als Bischof von Rom auf eine Annäherung nicht zuletzt an das Patriarchat von Moskau und ganz Russland hinwirkte, 90.
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Daniel L. Schikora
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16:38
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