Montag, 5. November 2012

"Mein Kampf", mein Minister?

Einem impotenten Hahne
Gleichend, stolzt ein Pangermane
Pochend auf das f r e i e Wort.
Es heißt Mord.

(Bert Brecht)


Aus einem Cicero-Interview mit Mathias Brodkorb, dem Bildungsminister des Landes, in dem der Präzedenzfall des Verbots einer Vortragsveranstaltung der Deutsch-Israelischen Gesellschaft im universitären Raum* geschaffen wurde:

Cicero: Sie selbst haben schon im Jahr 2003 ausgerechnet in der ehemaligen „Kraft durch Freude“-Ferienanlage Prora auf Rügen vor Jugendlichen aus „Mein Kampf“ gelesen. Wie kam es dazu?
Brodkorb: Das Land Mecklenburg-Vorpommern hatte damals beschlossen, Prora symbolisch zurückzuerobern und dort ein großes Jugendfest zu feiern. Um diese Veranstaltung politisch einzubetten, haben wir eine Reihe von Workshops angeboten, bei der es auch um die Nazi-Ideologie ging, die ja nicht zuletzt zum Bau dieser gigantischen Ferienanlage geführt hat. Und da haben wir in der Tat diese Lesung aus „Mein Kampf“ abgehalten.

Cicero: Ohne in Bayern vorher um Erlaubnis zu fragen?
Brodkorb: Selbstverständlich.

Cicero: Haben Sie damit eine Rechtswidrigkeit begangen?
Brodkorb: Das mögen die Bayern beurteilen. Ich meine, ich habe damals einen guten Beitrag zur Aufklärung geleistet.

[...]

Cicero: Stellen Sie sich vor, „Mein Kampf“ würde vom 1. Januar 2016 an zu einem Bestseller im deutschen Buchhandel. Das wäre doch eine ziemliche Katastrophe schon allein für das Ansehen der Bundesrepublik im Ausland.
Brodkorb: Nein, das wäre weder eine Katastrophe, noch ließe es Rückschlüsse auf den politischen Zustand der Bundesrepublik Deutschland zu. Es wäre vielmehr eine ganz natürliche Reaktion auf 70 Jahre Wegschließpolitik.

Cicero: Und wenn etwa die israelische Regierung darum bitten würde, „Mein Kampf“ in Deutschland nicht zu veröffentlichen? Könnten wir uns dieser Bitte widersetzen?
Brodkorb: Wenn ich nicht falsch informiert bin, können Sie „Mein Kampf“ in Israel sogar auf Hebräisch kaufen. Aber selbst wenn nicht: Kein Staat der Erde hat das Recht, den Bürgern eines anderen demokratischen Staates vorzuschreiben, was diese lesen dürfen und was nicht. Auch Israel nicht.

Voilà, ein israelkritischer Österreicher, der sich weder von den Bayern noch von den Juden vorschreiben lässt, darauf zu verzichten, einen anderen israelkritischen Österreicher zu rezitieren!

* Daniel Leon Schikora: Demokratie und Meinungsfreiheit nach pommerscher Gutsherrenart, in: Die Achse des Guten, 26.10.2012, http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/demokratie_und_meinungsfreiheit_nach_pommerscher_gutsherrenart/ .

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