Donnerstag, 20. März 2014

Adem Dolas: Von Dämmen und Dammbrüchen

In Konstanz findet an diesem Freitag die Uraufführung eines Theaterstücks basierend auf dem Roman ,,Das Märchen vom letzten Gedanken“ von Edgar Hilsenrath statt. Das Stück handelt von der Vernichtung eines armenischen Dorfes am Berge Ararat während des Völkermords von 1915 im zusammenbrechenden Osmanischen Reich. Das mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Roman gilt als eines der bedeutendsten literarischen Werke über den Genozid an Armeniern.

Während das Buch 1989 international gefeiert wurde, sieht sich hingegen das Konstanzer Stadttheater im Jahre 2014 unter massiven Druck seitens des türkischen Konsulats sowie zahlreicher türkischer Mitbürger gesetzt. Die Künstler seien ,,armenischer Propaganda“ erlegen, das Stück sei vorbehaltlos abzusetzen, hieß es in ihren Aufrufen. Das türkische Generalkonsulat sprach von einer angeblichen Kontroverse unter Historikern und forderte gar die Lesung der türkischen Sichtweise vor jeder einzelnen Theateraufführung.

Christoph Nix, der Intendant des Stadttheaters und Verantwortlicher für das Stück, entgegnete derweil jenen Rufen, die ihm eine solche Aufführung nicht erlauben wollen, mit ,,Demokratie wird nicht erlaubt, sie findet statt“. Jürgen Walter, Kunststaatssekretär, erklärte, es sei ein schlechtes Zeichen, dass mittlerweile umstrittene Themen immer schwieriger öffentlich diskutiert werden könnten. Es sei deshalb sehr wichtig, ,,sich nicht verbiegen zu lassen“. Peter Friedrich, der baden-württembergische Minister für Europa und internationale Angelegenheiten besucht hingegen die morgige Aufführung, die unter großem Polizeiaufgebot sowie Präsenz von Staatsschutz stattfinden wird.

Neben einem massiven Eingriff in die künstlerische Freiheit untergraben solche Aufrufe eine offene gesellschaftliche Aufarbeitung des Völkermords. Sie untergraben den demokratischen Konsens, Probleme nicht mittels Gewalt, sondern durch geistige Auseinandersetzung zu lösen. Die Wahrheit indes lässt sich nicht verbiegen, gleichwohl entspricht sie einem Fluss, das Dämme bricht.

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