Sonntag, 16. März 2014

Der indische Autor und ….. die Armenier.

Der indische Autor Pankaj Mishra erhielt am 12. März 2014 den "Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung“,  eines der wichtigsten Literaturpreise in Deutschland. Mit diesem Preis werden laut Statut Persönlichkeiten gewürdigt, die sich in Buchform um das gegenseitige Verständnis in Europa, vor allem mit den Ländern Mittel- und Osteuropas, verdient gemacht haben.

Ein hehres Ziel. Ob es mit der Nominierung von „Aus den Ruinen des Empires: Die Revolte gegen den Westen und der Wiederaufstieg Asiens“ erreicht werden kann, darf bezweifelt werden.

Das Buch hat sich zum Ziel gesetzt, den Europäer über die Denkweise des Orients und Asiens zu informieren. Geht man nach den Kritiken, fand es offenbar nicht wenig Anklang und Bewunderung.

Dennoch: Eine Buchkritik, die mit dem Autor ins Gericht geht, findet sich bei Necla Kelek (http://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article125645485/Buchpreis-fuer-Mishra-ist-eine-Fehlentscheidung.html). Sie hält die Nominierung für eine Fehlentscheidung.

Steht sie allein da? Sie beklagt die Güte des Präsentierten: einseitig, flach, fragwürdig, wenig säkular, wenn nicht gar theokratisch.
Hellhörig wurde ich, als ich sah, dass Pankaj Mishra sich auch mit dem Völkermord an den Armeniern „beschäftigt“hat.

Necla Kelek zitiert Pankaj Mishra wie folgt:

"Zermürbt von armenischen Nationalisten im Osten Anatoliens,
deportierten die Türken 1915 gnadenlos Hundertausende von
Armeniern – ein Vorgehen, das ihnen später den Vorwurf des
Völkermords einbrachte." 

Frau Kelek erkennt zutreffend, dass nach Pankaj Mishra, die Armenier ihre Deportation provoziert haben müssen und die Türken gar nicht anders konnten.


Mit diesen Worten verharmlost und rechtfertigt der gefeierte Autor den Mord an 1,5 Mio Armeniern, während er gleichzeitig diesem, in rassistischer Vernichtungsabsicht staatlich organisierten Verbrechen,  die Eigenschaft des Genozides abspricht.

Wieso wird dieser Mann so gefeiert? Ist der Rest des Buches von mehr Güte und dieser Satz ein Ausrutscher? Geht man nach der Kritik von Necla Kelek, dann eigentlich nicht. Ist die Masse der faszinierten Leser zu unkritisch? Wahrscheinlich. Aber warum?

Auch wenn der Genozid an den Armeniern nicht das Hauptthema des Beschenkten und seiner Zeilen ist, stellt sich hier die Frage, inwieweit die Verklärung von – in einem Genozid endenden – Rassismus aus europäischer Sicht gutgeheißen werden kann. Jedenfalls hat der mit dem Buchpreis geehrte „nicht-europäische“ Blick des Autors zu viel mit dem Völkermordleugner Recep Tayyip Erdogan gemeinsam und versteht sich – an dieser Stelle –  bestenfalls als Aufruf auch den Rassisten zu verstehen.
Fernab von den restlichen 447 Seiten des Buches, kann nur diese eine Seite, dieser eine Satz, die Qualität des gesamten Buches beeinflussen. Eine einzige Fliege in der Suppe reicht, um den Appetit zu verderben.
Von der Jury des am 12.03.2014 zu vergebenden Preises hätte ich nicht nur mehr Feingefühl, sondern mehr politisches Urteilsvermögen erwartet. Etwa von der Literaturwissenschaftlerin, Autorin und Übersetzerin, Dr. Alina Bremer, die sich in ihrem erfolgreichen Buch „Olivas Garten“ im Rahmen einer Familiengeschichte mit den Kriegen des 20.Jahrhunderts Jugoslawiens auseinandersetzt oder von dem schweizerischen Verleger a.D. Egon Ammann, der seine Anfänge als Buchhändler in Istanbul fand.

Aber nicht nur den Literaten mangelt es hier an politischem Esprit, wenn sie die von Pankaj Mishra geleistete „Aufklärung“ jungfräulich beklatschen, statt sich dem Plädoyer des Autors mutig entgegenzustellen, sondern auch dem Jurymitglied und Kulturbürgermeister der Stadt Leipzig, Michael Faber.

In seiner Person treffen sich Literatur und Politik, Kulturpolitik. Der kulturpolitische Vertreter der Stadt Leipzig sei auf  die ebenso historischen wie literarischen Verknüpfungen seiner Stadt und des dazugehörigen Bundeslandes mit den Armeniern hingewiesen: Sachsen-Anhalt spielt als Gesamtvertreter aller Bundesländer gegenüber der Republik Armenien im Kulturbereich seit rund 15 Jahren eine bedeutende Rolle in den deutsch-armenischen Beziehungen. Darüber hinaus wirkte der armenisch-akademischen Verein Ende des 19. Jahrhunderts in Leipzig, Jena und Berlin und das erste armenische Buch in Deutschland ist 1680 in Leipzig in armenisch und lateinisch gedruckt worden.

Nun wird eben dort ein Autor geehrt, dessen Buch als Beitrag zur Völkerverständigung qualifiziert worden ist.
Oder anders:
Ein Buch, welches Rassismus negiert, und wenn auch nur den Armenier-Genozid auf nur einer einzigen Seite, wird als Beitrag zur Völkerverständigung mit 15.000 € Preisgeld gefeiert. Für Demonstrationen ist es zu spät.

Beschämend ist nicht nur der Imperialismus im historischen Europa oder der Holocaust im Dritten Reich. Heute dürfen wir auch die Einfältigkeit, Rassismus nicht zu erkennen ebenso wie den Kleinmut, der es  vorzieht, Dinge nicht beim Namen zu nennen, betrauern. 

2 Kommentare:

  1. Mishra wurde bereits 2008 vorgeworfen für eine ,,weiße pro-Muslimische Audienz im Westen" zu schreiben. Was anderes hätte man nicht erwarten können. Er gehört zu jenen, die westliche Werte genießen, es aber anderen nicht zugestehen. Erbärmlich!

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