Der kurdischstämmige Abgeordnete des türkischen Parlaments Ahmed Türk: „Im Namen unserer Väter entschuldigen wir uns bei den Armeniern…“
„ALS EIN NACHFAHRE UNSERER VÖLKERMORDOPFER NEHME ICH IHRE ENTSCHULDIGUNG NICHT AN!“
Die türkische Tageszeitung „Milliyet“ zitierend berichtet die
armenische Presse, dass der kurdischstämmige Abgeordnete des türkischen
Parlaments Ahmed Türk in einem Interview die
armenische Frage thematisierte und dabei sagte: „Es ist an der Zeit,
dass wir alle die Geschichte richtig lesen und die Realitäten der
Vergangenheit akzeptieren. Unsere Väter und Vorfahren wurden bei den
Massakern an Armeniern, Aramäern und Jesiden durch die Osmanen
ausgenutzt… Wir müssen akzeptieren, dass die Hände unserer Vorfahren mit
dem Blut der Armenier, Aramäer und Jesiden befleckt sind und wir, als
ihre Kinder und Enkelkinder, haben die Pflicht, ihre Nachfahren ehrlich
und tapfer um Vergebung zu bitten…“
Ihre Entschuldigung nehme ich nicht an, Herr Türk, weil ich an Ihre Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und Kühnheit nicht glaube…
Ihre Entschuldigung nehme ich nicht an, weil ich nicht glaube, dass Sie
„die Geschichte richtig gelesen haben“. Wenn ich annehme, dass Sie „die
Geschichte richtig gelesen haben“, dann muss ich auch zugeben, dass Sie
„die Geschichte nicht richtig verstanden haben bzw. verstehen konnten“.
Wenn Sie die Geschichte richtig verstanden haben, dann sollten Sie die
Dinge beim richtigen Namen nennen, nicht nur Sie, sondern auch die
anderen 31 000 Personen, die die Internetaktion „özür diliyorum“ (Wir
entschuldigen uns) unterzeichnet haben. Und die Realität ist es, dass
Ihre Vorfahren versucht haben, ein ganzes Volk planmäßig auszurotten.
Und dieses menschenverachtende Verbrechen wird nur mit einem Wort
bezeichnet – „VÖLKERMORD“. Der juristische Begriff dieses Verbrechens
heißt Völkermord und nicht „Große Katastrophe“, „Büyük Felâket“ oder wie
Sie es nennen „Große Tragödie oder Zulüm“. Und die armenische
Bezeichnung des Verbrechens „Medz Yeghern“ kann man nicht mit diesen
halbwahren Formulierungen übersetzten. Dieser Begriff wird nicht
übersetzt und mit seiner Bedeutung ist er vergleichbar mit „Shoah“ oder
„Holocaust“.
Ihre Entschuldigung nehme ich nicht an, weil Sie
versuchen, die Schuld und die Verantwortung des Völkermordes auf die
„Osmanen“ zu schieben und die heutige Türkei und die türkischen
Generationen der Republikzeit von der Schuld und Verantwortung frei zu
sprechen. Höchstens haben sie nur eine Pflicht, sich halbherzig zu
entschuldigen und wir, die Armenier, sollen uns freuen und tanzen, dass
die Türken und Kurden sich bei uns entschuldigen. Die Armenier haben
viele „moralischen Siege“ gesehen und wissen ganz gut, was sie bedeuten.
Folglich, versuchen Sie nicht, die Frage des Völkermordes von der
juristischen Ebene nur auf die moralische Ebene zu bringen.
Die
heutige Türkei hat nicht nur eine moralische Pflicht, dieses
unmenschliche Verbrechen ihrer Vorfahren anzuerkennen und zu
verurteilen, sondern sie trägt auch als der Nachfolgerstaat des
Osmanischen Reiches eine Vollverantwortung mit allen juristischen
Folgen. Wenn Sie und all diejenigen, die halbherzig um Entschuldigung
bitten, „die Geschichte richtig gelesen, verstanden und die Realitäten
der Vergangenheit akzeptiert hätten“, glauben Sie mir, wären wir
Armenier bereit, Ihre Entschuldigung anzunehmen, und dann hätten wir
beide uns von dieser Herzenslast befreit…
Zum Autor: Archimandrit Serovpé Isakhanian ist Bischofsvikar und
Gemeindepfarrer in Hessen und Rheinland-Pfalz der Armenischen Kirche in Deutschland.